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Chatbots im Conversational Business mit künstlicher Intelligenz mit Prof. Dr. Gentsch

Kauz Video-Expertengespräch: Chatbots im Conversational Business mit künstlicher Intelligenz mit Prof. Dr. Peter Gentsch und Dr. Claudia Hilker. Chatbots im Conversational Business sind essenziell, um Geschäfte zu machen. Viele Medien, Kanäle und Geräte stehen uns dazu heute zur Verfügung.

Wie nutzen Unternehmen Conversational Business strategisch, um mehr Kunden zu gewinnen? Welche Rolle spielen Chatbots dabei? Dieses Video-Interview gibt Antworten auf diese Fragen. Prof. Dr. Peter Gentsch ist KI-Experte und forscht und lehrt seit Jahren zum Thema Conversational Business.

 

 

Claudia Hilker: Herzlich willkommen beim heutigen Business-Talk. Ich freue mich mit Professor Dr. Gentsch zu sprechen, der ein Experte im Bereich künstliche Intelligenz ist und wir werden über das Thema sprechen, wie künstliche Intelligenz mit Conversational AI und Chatbots Unternehmen unterstützen können in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Kundenservice. Aber jetzt erst mal, lieber Peter, stell dich doch selbst noch mal kurz vor.

Peter Gentsch: Erst mal vielen Dank für die Einladung. Peter Gentsch ist mein Name, ich führe seit über 20 Jahren ein Doppelleben – ganz harmlos – zwischen Theorie und Praxis: Zum einen beim Lehrstuhl für internationale BWL mit dem Schwerpunkt digitale Transformation, auf der anderen Seite bin ich als Unternehmer tätig. In der Schnittmenge haben wir auf der einen Seite Daten, Technologie, KI. Auf der anderen Seite haben wir Geschäftsmodelle, Geschäftsprozesse und weiteres zu berücksichtigen.

  • Wie kann ich das ganze zusammen bringen?
  • Wie kann ich KI so einsetzen, dass ich zum Beispiel bessere Customer Experience generieren kann?

Dabei ist Conversational AI wichtiger Punkt: Wie kann ich in das User Interface in der Interaktion und Kommunikation mit künstlicher Intelligenz einsetzen? An sehr viele Studien wird sehr praxisorientiert gearbeitet. Das ist also keine Grundlagenforschung. Diese Studien sind Bereich Chatbots, künstliche Intelligenz sind immer eigentlich sehr stark auf Customer-Facing-Fokus also CRM, Marketing, Service, Sales ausgerichtet. Aber eben nicht nur AI um Prozesse zu optimieren, sondern vielleicht auch neue Geschäftsmodelle zu erschließen oder ganz neuen Geschäftsmodelle umzusetzen.


Claudia Hilker: Das sind Riesenfelder, die du da gerade beschrieben hast und ich finde es toll, dass du eben nicht nur so ein Professor im Elfenbeinturm bist, der darüber forscht und dazu lehrt, sondern der eben auch im unternehmerischen Kontext dazu Unternehmen begleitet und auch Studien machst und Theorie und Praxis miteinander verbindest. Das ist nicht immer der Fall und bei dir finde ich das besonders klasse. Erklär unseren Zuschauern doch mal welche Rolle Chatbots und Conversational AI spielen.

Welche Rolle spielen Chatbots im Conversational AI?

Peter Gentsch: Gut, erstmal muss man ganz klar sagen: Die meisten Chatbots kommen noch ohne AI aus und es ist häufig auch, das muss man ehrlich sagen, teilweise marketinggetrieben, AI ist ein Buzzword, was man besser verkaufen kann. Untersuchungen zeigen, dass viele Chatbots wirklich noch so Wenn-Dann-Regelbots sind, der einfachen Keywords erkennen: “Wenn das Keyword kommt, dann bitte das machen“.

Also ich würde sagen: Momentan ist die Chatbot-Szene noch nicht durchdrungen von künstlicher Intelligenz. Das ändert sich ein Stück weit und ich glaube, dass das auch ein Game Changer für die Qualität der Chatbots ist. Man muss sagen – und das zeigen Studien – dass die Qualität noch viel Luft nach oben hat, was Chatbots angeht. Aber die Unternehmen, die es schaffen KI einzusetzen, kriegen eine gute Qualität hin und zwar mit AI Scale.

Das Spannende daran ist: Wenn wir überlegen, im Namen „Chatbot“ steckt das Wort „Chatten“. Wir Menschen sind „social animals“. Wir wollen Konversation, wir wollen reden und das muss ich natürlich auch praktizieren. Am besten sollte das 24/7, 365 Tage im Jahr möglich sein. Das kann ich eigentlich nur wenn ich einen richtigen Qualitätsanspruch mit Conversional AI habe, also mit Systemen, die weitgehend autonom intelligent Interaktion, Kommunikation mit dem Kunden führen können.

Ich würde auch sagen, man kann durchaus mit einem Chatbot erstmal anfangen, ohne eine Advanced Conversational AI zu haben, um das Gefühl zu kriegen. Wenn man das ganze at scale mit der richtigen Qualität haben will, vielleicht auch mit mehreren Kanälen und vielleicht nicht nur Service, sondern der ganzen Customer Journey, da werde ich um das Thema Conversational AI nicht rumkommen.


Claudia Hilker: Ja, das ist sehr spannend. Der Begriff Conversational AI ist noch relativ jung, aber ich finde es sehr spannend das quasi künstliche Intelligenz im natürlichen Sprachverhalten und im Kontext von Themen eingebunden wird. Gerade im digitalen Marketing mit Customer Journey, Customer Experience Management. Da ist es ein riesiges Forschungsfeld, was sich da auftut und es ist toll, dass du den Bereich so gut erforschst.

Peter Gentsch: Du hast völlig Recht, dass der Begriff eigentlich relativ neu und auch mehrdeutig ist. Ich glaube es gibt zwei Facetten, wenn wir AI in der Chatbot-Technologie sehen. Einmal die Spracherkennung und die Intenterkennung. Also entweder ich texte, ich habe einen textbasierten Bot oder einen voicebasierten Bot, dann habe ich heute AI, die im Text erkennt, was schreibe ich wirklich jenseits des Keywords, also er hat eher ein Verständnis.

Aber die zweite Stufe von KI ist eben auch die richtige Antwort zu geben. Also der erste Layer ist praktisch KI um eben Text und Sprache zu erkennen, Intents zu erkennen. Die zweite Ebene ist eben die richtige Antwort zu geben und das trennt man häufig noch nicht. Ich glaube, dass Conversational AI heute immer besser wird in dem Bereich der Erkennung von Sprache und Intent.

Ich durfte ein sehr spannendes Projekt machen, da ging es darum, die Vertriebsmitarbeiter mit Conversational AI zu unterstützen und bei so vielen deutschen Dialekten war überrascht, wie gut heute Conversational AI selbst das tiefste Bayerische und Schwäbische erkennen konnte. Da sind wir, glaube ich, schon sehr gut, auch was Texterkennung angeht.

Ich glaube dann die richtige Antwort zu liefern, da wird KI eben noch nicht so häufig eingesetzt. Da kommen wir noch drauf zu sprechen. Aber ich glaube diese beiden Facetten sind wichtig und Conversational AI meint natürlich das Interface zum Kunden. Sprache ist natürlich. Wir sind gewohnt zu sprechen, also möchte ich so ein Interface haben. Wir sind gewohnt zu tippen, wir wollen vielleicht keine Kommandos eingeben oder lang auf Webseiten rumsuchen. Insofern habe ich ein sehr natürliches interface, was da bedient wird durch die KI.


Wie viel künstliche Intelligenz ist in einem Chatbot enthalten?

Claudia Hilker: Ja das klingt spannend. Vielen Dank. Ich werde darauf zurückgreifen, wenn ich mal in Bayern bin. Wie viel künstliche Intelligenz ist in einem Chatbot drin?

Peter Gentsch: In der Regel haben wir Hybrid-Systeme. Das heißt ich kann heute mit Conversational AI, Deep Learning Fragenmuster lernen und weiß welche Antwort ich geben muss. Man sagt, dass heute schon 80 Prozent der Anfragen von AI beantworten werden kann. Da bleiben noch 20 Prozent übrig. Das heißt wir brauchen einfach eine Balancierung zwischen einer automatisierten Kommunikation und dann auch wieder mit Live Chat, also ein handover vielleicht zu einem Agenten.

Das würden wir als „Escalation Path“ bezeichnen, wenn vielleicht ein Chatbot nicht weiterkommt, wenn die KI auch mal Grenzen hat, das ist eben nunmal so. Dann glaube ich sollten wir uns darauf einigen, dass wir eher Augmented Intelligence haben –also die Kombination aus Mensch-Maschine. Ich glaube das macht den Erfolg dann aus. Das Schöne ist, dass die vielen repetitiven, einfachen Sachen von der AI wunderbar erfasst werden können, sodass eigentlich wir Menschen immer mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge haben.

Wie gesagt: Es gibt heute Chatbots mit überhaupt keiner KI drin. Wie du schon sagst; die meisten Systeme haben heute auch durchaus den Nachteil von Blackbox-Asätzen. Also das Deep Learning ist ja sehr stark durch die Medien gegangen. Es ist letztendlich nichts anderes als ein neuronales Netz, was jetzt wahnsinnig viele Layer hat, darum eben „Deep“. Es kommt zwar zu fantastischen Ergebnissen.

Das Problem aber: Es ist nicht reproduzierbar verständlich. In der Forschung arbeiten wir gerade dran, wie wir aus der Blackbox eine Graybox machen. In vielen Bereichen ist einfach wichtig, dass es nachvollziehbar ist warum ein Chatbot welche Antwort gibt. Denk da nur an Compliance, etc. Also das ist ein bisschen der Trade-Off zwischen Transparenz und wieviel KI setz ich ein, aber ich denke viele der Bots, die wir heute noch am Mark sehen haben sehr wenig KI drin.


Claudia Hilker: Interessant wie du das beschrieben hast. Auch mit den hybriden System. Dass zum Beispiel Chatbots 80 Prozent beantworten und 20 Prozent kann ja auch einem Mitarbeiter weitergereicht werden können. Die klassischen repetitiven Fragen, wie „Bitte ändere meine Kontodaten“ oder „Bitte ändere meine Adressaten, ich bin umgezogen“ sind natürlich leicht machbar.

Aber es gibt Beratungssituation, Finanzberatung, Altersvorsorgeberatung, wo ich mich vielleicht doch besser auch gefühlsmäßig mit Mensche beraten lassen will, weil ich meine Finanzsituation sensibel finde. Dann kann man das eine um das andere ergänzen und das ist ja eine tolle Kombination. Sag mal, Peter: Denkst du dass Chatbot für bestimmte Branchen besonders gut geeignet sind oder würdest du sagen, dass das für alle Branchen passt.


Welche Branchen profitieren am meisten vom Chatbot-Einsatz im Unternehmen?

Peter Gentsch: Prinzipiell sage ich: Jede Firma die irgendwie Kundenkommunikation hat, sei es B2B, B2C, kann prinzipiell Chatbots sinnvoll einsetzen. Die Frage ist natürlich wie groß das Potenzial ist. Ich würde mal sagen je größer der Markt, desto mehr Engagement und Interaktion Thema ROI: Ich muss ja auch investieren in die Technologie.

Ich würde sagen, dass die serviceintensiven Industrien natürlich am meisten davon profitieren. Nichtsdestotrotz glaube ich auch, dass man in einem B2B-Bereich, wenn man Kundenkontakt hat, gewisse Prozesse automatisieren kann. Also dann würde ich sagen ich kann per se keine Branche oder B2B oder B2C ausschließen. Ich glaube wenn es um die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung geht, habe ich natürlich bei den serviceintensiven Branchen einen größeren Hebel.


Claudia Hilker: Ja, verstanden. Also würdest du sagen das sind Branchen wie zum Beispiel E-Commerce, Finanzwirtschaft, Versicherung, die das am besten nutzen können?

Peter Gentsch: Absolut. Interessanterweise nicht immer mit den besten Ergebnissen und ich glaube wir hätten da den größten Hebel. Aber Studien zeigen, dass eben da auch noch nicht so viel eingesetzt wird an guten Bots und dann auch die Qualität noch Luft nach oben hat. Das ist sicherlich das Problem.

Ich sage immer: lieber keinen Bot als einen schlechten Bot. Wir sind ja der Meinung, dass Bots eigentlich die User Experience verbessern. Das stimmt auch so. Wenn ich natürlich Kontakt mit einer Firma habe, dann will ich einen persönlichen Kontakt, ich will den Dialog und wenn ich das 24/7 kann ist das natürlich hervorragend. Wenn ich aber merke, dass es ein simples System ist, das nur Keywords erkennt und mir nicht weiterhilft, dann bin ich natürlich frustriert und nutze den Chatbot eben nicht.

Also darum möchte ich nur sagen, wenn, dann muss man das Thema ernst nehmen. Aus meiner Sicht wird es noch viel zu sehr von der Kostenargumentation getrieben: Also „Wir müssen die Kosten reduzieren, also nehmen wir einen Chatbot, der wenig aus der Customer-Centricity-Perspektive designed wurde“, anstatt: „Was will der Kunde?“, “Wie kann ich ihm helfen?“, „Wie kann ich eine gute User Experience schaffen?“ Das muss ich verinnerlichen und es ist eben nicht damit getan einen Bot zu installieren, sondern: Ich muss diese Customer-Centricity-Denke entsprechend umsetzen.


Claudia Hilker: Ja, das stimmt. Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Organisationen wie zum Beispiel Verwaltung oder Kommunen. Wenn ich im Einwohnermeldeamt was machen will, kann man diese ganzen Dienstleistungenja auch digitalisieren und mit Chat unterstützen oder auch als hybrid-Lösung umsetzen, also dass ich zumindest die Terminvereinbarung online machen kann.

Das erleichtert ja auch die Kunden-zentrierung und -orientierung in diesen Organisationen. Sag mal, Peter, was sind die Vorteile von Chatbots für die verschiedenen Einsatzbereiche. Wir kennen ja Mitarbeiter und Kundenservice, Marketing, Vertrieb. Denkst du, dass alle diese Bereiche partizipieren oder würdest du bestimmte Abteilungen oder Bereiche bevorzugen, wenn du jetzt in der Praxis ein Chatbot-Projekt umsetzen würdest?

Was sind die Vorteile von Chatbots für Mitarbeiter- und Kundenservice, Marketing, Vertrieb?

Peter Gentsch: Der Hebel ist vielleicht zunächst im Customer Service am offensichtlichsten und darum sind die meisten Bots auch Service-Bots, muss man sagen. Aber ich glaube das greift zu kurz. Wenn man sich die ganze Customer Journey anschaut – das fängt ja bei der Lead-Generierung an: Natürlich werde ich nicht die Empathie einen Vertriebsmitarbeiters rüberbringen. Aber das, was Vertriebsleute sagen ist, dass das Wichtigste Konversation und Dialog ist.

Und ein Stück weit kann ich das ja auch abbilden; ich kann Leads generieren und qualifizieren. Die Konvertierung kann dann vielleicht der Vertriebsmitarbeiter weitermachen. Wenn ich auf einer Webseite orientierungslos bin, kann ich mich als Chatbot einschalten: „Wir sind da!“, „Red mit mir!“, Ich kann in einem Verkaufsprozess Cross-, Up-Selling und Next Best Offer machen.

Auch wenn der Kunde unzufrieden ist und sich vielleicht dem Unternehmen abwendet, kann ich gezielt nach dem „warum“ fragen um auch da nochmal die Konversation zu nutzen. Also ich denke das greift zu kurz, wenn man nur sagt –nach dem Motto –mein Handy funktioniert nicht, hilf wir mal. Sondern überall wo ich Touchpoints zu Kunden habe, wo Dialog Sinn macht, kann ich eben sehr effizient 24/7, 365 mit Dialog präsent beim Kunden sein.

Das ist ganz wichtig. Und es ist eben nicht nur für Bestandskunden so, wo ich sage „Gib doch deine Kunden-ID ein“. Sondern auch beim Neukunden, der sich noch orientiert, die Firma noch nicht kennt.  Da ist eine Website ja nie so persönlich. Wenn ich vor mir aber einen Dialog habe, dann bindet das einfach. Diese Bindung ist eben nicht nur ein Service-Thema, sondern ein Thema für die internen Mitarbeiter.

Also der Vertriebsinnendienst, der Vertriebsaußendienst, etc. Also ich glaube wir müssen weg von der Denke: Service, Kunde, Unternehmen. Sondern wir werden auch weitergesponnen. Zunehmend werden wir auch Bot zu Bot-Kommunikation haben. Das sind dann auch beim Konsumenten vielleicht ein Bot am Handy, der dann mit dem Bot von dem Unternehmen spricht. Da ist ein Riesen-Anwendungsfeld jenseits des Customer Service. Ich glaube das ist ganz wichtig.


Claudia Hilker: Ja, danke. Customer Service ist ein gutes Stichwort und das erlebe ich auch in meiner Rolle als Marketingleiterin bei Kauz so. Wir haben Chatbots für über 120 Sparkassen entwickelt, wo man eben nicht die ganze Website durchsucht, sondern eben den Service über den Chatbot macht.

Auch Versicherungen! Die deutsche Familienversicherung, die es eben auch zur Lead-Generierung und zum Produktabverkauf vertriebsfördernd einsetzt. Und auch die R+V-Versicherung, die es für den internen Mitarbeiter-Service nutzt. Das sind verschiedene Use Cases, aber sie führen dazu, dass Mitarbeiter und Kunden mehr Zufriedenheit zeigen.Aber man muss diese auch logischerweise mitnehmen und das Projekt auch gut führen, so wie du das beschrieben hast. Die Prioritäten gut setzen und die Kundenzentrierung in den Vordergrund rücken.

Peter Gentsch: Und auch ganz wichtig: Wenn wir so sehr emsig Database Marketing machen, brauchen wir Daten vom Konsumenten, was auch zunehmend schwieriger wird. Thema Cookies, Datenschutz, etc.  Forrester nennt das „Zero-Party-Daten“, die ich mit so einem Bot kriege.

Der Kunde gibt proaktiv freiwillig Informationen frei, die ich jetzt mit First-Party-Daten mergen, also deine Bewegungen auf der Webseite und damit den eigenen Datenbestand aufbauen kann. Wir müssen lernen Daten sauber zu sammeln und die natürlich auch wieder sauber zu nutzen.

Claudia Hilker: Das ist gutes Stichwort, Peter. Datenschutz muss natürlich auch in jedem Chatbot-Projekt berücksichtigt werden und das Thema KI und Ethik ist noch mal ein eigenes Thema, was hier den Rahmen sprengen würde. Ich gehe jetzt weiter in den Bereich Technologie.  Peter, was würdest du sagen: Was ist die beste Technologie? Wir wollen mit dem Chatbot möglichst eine hohe Trefferquote erzielen.  Was ist da die beste Technologie im Praxiseinsatz?

Welche Technologie eignet sich am besten, wenn man Chatbots mit hoher Qualität (hohe Anzahl richtiger Antworten) in Organisation einsetzen möchte?

Peter Gentsch: Da würde ich eine Unterscheidung machen zwischen User Interface, also ich tippe etwas ein als Kunde oder ich spreche. Dann brauche ich so genannte NLP-Technologie, also Natural Language Processing, die eben weiß, was ich da gerade spreche. Noch wichtiger: NLU, Natural Language Understanding. Das heißt es reicht ja nicht nur zu wissen, es gibt irgendein Objekt, Subjekt Prädikat, sondern ich muss auch wissen was der Kontext ist, weil ich nur kontextsensitiv vernünftige Antworten geben kann. I

ch muss Kontexte erkennen. Das heißt: Ich brauche das „Understanding“. Das „Processing“ ist die technische Voraussetzung. Zunächst mache ich Text oder Voice, Speech-to-Text und dann kommt eben dieser NLP-Ansatz. Ganz wichtig ist, dass ich den Text eben interpretieren kann; Kontext. Und das ist eine Technologie, die nicht nur out of the box auf  Knopfdruck erscheint. Das muss ein bisschen trainiert werden, da muss ich aus den domänenkennend das System das Wissen beibringen. Aber dann kann ich extrem gute Ergebnisse erzielen.

Weil ich jetzt auch die richtige Antwort geben will, dann kann man natürlich auch die Deep-Learning-Verfahren einsetzen, was ein bisschen von meinem Datenbestand abhängt.  wir reden schon lange von Case-Based-Reasoning-Systemen, die praktisch im Call-Center eingesetzt werden und die können dann Bots einsetzen. Wir sagen „Guck mal, so eine Frage hatten wir schon mal. Such doch mal in der Datenbank nach einem ähnlichen Fragen und liefere mir die Antwort“.

Wenn ich Conversational AI im engeren Sinn sehe, dann will ich ganz klar sagen: NLP muss in der Technologie eingesetzt werden, um einfach den Kontext zu verstehen. Denn nichts ist schlimmer, als wenn ich versuche möglichst smart zu antworten und der Mensch erkennt sofort, dass ich ihn gar nicht verstanden habe.

Das heißt jetzt nicht dass ein Bot zwischen den Zeilen lesen muss, damit er unbedingt Ironie erkennen kann. Das ist eben das, was uns Menschen noch vorbehalten ist. Aber er kann in der Tat inhaltlichen Kontext erschließen und das ist das A und O, wenn ich ein gutes Antwortverhalten haben möchte.

Wie sind die Ergebnisse deiner Studie: Chatbots in der Finanzbranche?

Claudia Hilker: Ja das ist ein gutes Stichwort und das ist auch die Ausrichtung bei Kauz, dass wir eine gute Technologie einsetzen wollen, um hochwertige Chatbots zu entwickeln und da ist unser Schwerpunkt eben NLU, wie du ja auch schon öfter mit unseren CEO Thomas Rüdel diskutiert hast. Sag mal, Peter, du hast vor kurzem die Studie gemacht. Was waren dazu die Erkenntnisse?

Peter Gentsch: Also er natürlich geehrt würde ich sagen. An der einen oder anderen Stelle auch ein bisschen frustriert. Das ist was mir auch wichtig ist: Das Thema voranzubringen. Den ersten Chatbot hatte man dank Professor Weizenbaum 1966 mit ELIZA. Ich sag mal böse: Viele dieser Chatbots da draußen sind keinen Deut besser, obwohl wir ganz andere Technologien haben. Also erst mal war ich überrascht wie wenig – maximal ein Drittel – der Unternehmen der Finanzbranche Chatbot-Systeme einsetzen. Diejenigen, die so etwas einsetzen, machen das sehr divers.

Wir haben uns Sparkassen angeguckt, wir haben uns die Digital Natives angeguckt, also die Fintechs, Volksbanken, etc. Und da würde man meinen, so eine N26 da alles outperformed. Die hat aber mit die schlechtesten Ergebnisse erzielt, während Sparkassen, Volksbanken, von denen man das jetzt nicht so erwartet hätte, die besseren Ergebnisse erzielt haben. Ich glaube das ist einfach dadurch entstanden, dass sich diese Firmen mehr Zeit genommen haben, auch dieses Onboarding zu machen. Ich sage ein Bot ist wie neuer Mitarbeiter, der kann auch nicht alles am ersten Tag. Man hat sich Gedanken über Customer Centricity gemacht:

  • Was ist für den Kunden wichtig?
  • Was für Fragen muss ich beantworten können?

Darum haben wir am Ende des Tages gesagt: Technologie ist wichtig, aber Technologie alleine reicht halt auch nicht aus. Ich muss dazu eben solche Systeme trainieren und ich glaube, wenn man sich die Studie auch angeguckt, wird man überrascht seien – wir haben uns auch Versicherungen angeguckt, wie ERGO und ARAG– dass dann große Unternehmen mit ihren Budgets zu desaströsen Ergebnissen kommen. Kurz zu den Ergebnissen: Wir haben das in drei Teile eingeteilt: Fachfragen, also

  • „Wo kann ich mein Konto kündigen?“
  • „Wo kann ich Geld abheben?“

Und Off-Topic-Fragen, wie „Was macht der Brexit jetzt mit meinem Geld?“ oder auch persönliche Fragen, beispielsweise „Wie lange arbeitest du eigentlich schon für die ARAG?“. Und da sieht man eben, dass es interessanterweise Chatbots gibt, die extrem gut diesen Smalltalk beherrschen, aber nicht Fachfragen beantworten können oder eben nur Fachfragen beantworten können, aber das andere nicht.

Jetzt kann man sich fragen, ob ein Bot auch emotionalen Dialog führen soll. Ich glaube schon, dass das den Leuten auch Spaß macht. Wir reden wieder über Experience und dann muss nicht immer ein sachlicher Dialog stattfinden, insofern sind Firmen gut beraten, alle drei abzubilden.

Aber das Learning der Studie ist: Es ist verdammt viel zu tun, was eigentlich schade ist. Wir haben eigentlich das Mindset in den Firmen zum Thema Customer Centricity und wir haben die Technologie. Also muss man diese nur noch zusammenführen. Aber ich kann an dieser Stelle jedem noch einmal raten, sich die Studie anzugucken. Wir haben die sehr gründlich gemacht und auch gut dokumentiert. Da wird man sehen, dass es Zeit ist, miteinander zu reden und zu agieren.

Claudia Hilker: Du hast das toll beschrieben, Peter. Gerade die beiden, die du genannt hast: ERGO und ARAG waren auch eine der ersten in der Finanzbranche, die Chatbots eingesetzt haben und vielleicht ist das auch Fluch und Segen zugleich. Der erste zu sein bedeutet auch immer möglicherweise mit unausgereiften Systemen an den Markt zu gehen, aber man muss dann auch erkennen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um die alten Systeme loszulassen und neue Technologie einzusetzen.

Vielleicht hat das dazu geführt, dass man dann zu lange an dem veralteten System festgehalten und sich nicht weiterentwickelt hat, also sich nicht getraut hat andere Anbieter, andere Technologien einzusetzen. Und ich glaub Technologie ist seit der digitalen Transformation so stark im Wandel, sodass man das auch immer ständig hinterfragen muss: Nutze ich noch die richtige Technologie?

Und vielleicht auch die Konsequenz treffen, das Projekt neu aufzusetzen. Ich kann mir vorstellen, dass man dann auch die Daten migrieren kann, aber Technik heißt auch immer Entscheidungen treffen, die zukunftsorientiert sind. Deshalb glaube ich, dass man den Markt und die Technologie auch in der Entwicklung ständig beobachten muss, ob man da immer noch aufs richtige Pferd setzt.

Peter Gentsch: Ja, unbedingt.

Claudia Hilker: Lieber Peter, du bist ja sehr umtriebig unterwegs. Das führt mich zur nächsten Frage umso ein bisschen auch in die Ausblicksperspektive zu gehen. Was für neue Studien stehen an? Was für neue Events stehen an? Womit wirst du uns demnächst begeistern und vielleicht überraschen?

 Ausblick: Studie + Event: Was können Chatbots in der Zukunft?

Peter Gentsch: Erst einmal etwas Spannendes, was nicht aus meiner Feder kommt, das ich aber sehr gut beobachte. Das ist das das Thema GPT-3, was stark durch die Presse geht. Leider Closed API und nicht ganz einfach auszuprobieren. Das ist insofern ein spannender Ansatz, weil hier Deep-Learning-Systeme genutzt werden. Es kommt hier nicht drauf an, irgendwas zu erkennen, also Intents, sondern um Storytelling zu machen und die richtigen Antworten automatisch zu geben.

Letztendlich ist GPT-3 nichts anderes als ein Riesen-Deep-Learning-Network, was durch das gesamte Internet geht, den ganzen digitalen Raum. Und das ist schon faszinierend, dass eine KI die automatischen Posts und Rezensionen schreiben und sich Produktbeschreibung anschauen kann. Die Tests, die man gemacht hat, waren spannend. Zum Beispiel: „Schreib einen Artikel über digitales Marketing“. Und dieser Artikel war sehr werblich gefärbt. Was macht GPT-3?

Es durchsucht das gesamte Internet und da gibt es natürlich viele Agenturen, die digitales Marketing optimistisch sehen und auch so darstellen. Das heißt der KI-basierte Artikel war nicht faktenbasiert und nicht sachlich.  Auf der anderen Seite konnte GPT-3 Produktbeschreibung super machen. Genau wie das Schreiben einer Produktrezensionen und eines LinkedIn-Posts. Letztendlich ist es ein digitaler Papagei. Er plappert das nach oder reflektiert das, was im Internet da ist.

Das zeigt aber auch die Grenzen von GPT-3. Das wird ja dermaßen gepusht, aber es zeigt auch einfach: Garbage in, Garbage out. Das heißt die Ergebnisse können nur so gut sein, wie der Content im Internet es erlaubt.  Aber es ist ein spannender Trend, den man sich auf jeden Fall ansehen sollte. Ein wenig warne ich davor. Das hat noch nicht die Produktreife auf Knopfdruck für eine Versicherung rasch Antworten zu geben.

Wir brauchen immer noch die Qualitätssicherung durch den Menschen. Diese Trendthemen möchte ich in einer Veranstaltung diskutieren. Ich habe das ganze mal Conversational Business Summit genannt. Am 30. September hybrid: Einmal in Frankfurt und einmal in einem virtuellen Konferenzraum. Bis zum 31. Juli sind die Tickets frei. Wir haben auch Leute aus den USA dabei, wir haben Leute aus China dabei. Wir haben bewusst danach geguckt, wo ist eigentlich Leading Edge in dem Bereich.

Es geht natürlich auch um Chatbots, aber es geht auch um Amazon Alexa, Google Home, also Smart Speaker. Es geht auch um Messenger-Systeme, wie WeChat und WhatsApp. Also Conversational Business ist mehr als Bots. Und alle sind herzlich eingeladen zu diskutieren und das Thema voranzubringen und viele spannende Speaker-Workshop-Formate, live-demos, etc. auszuprobieren. Ich kann es also wärmstens empfehlen.

Bis zum 31. Juli wie gesagt kostenlos, danach kostet es Geld. Und ich habe gerade eine aktuelle Studie fertig gemacht: Global Conversational Business. Wir haben uns in Deutschland, den USA und Großbritannien Bots, Messenger und Smart Speaker angeguckt und da muss man leider sagen, was das Thema Voice Commerce angeht – es wird ja dermaßen gepusht, da es auch natürlich das einfachste interface ist – nur ganz, ganz wenige Unternehmen bieten heute Voice-basierte Assistenz-Systeme an und ganz, ganz wenige mit einer vernünftigen Qualität.

Also ich möchte nicht zu viel Bashing machen, aber wir brauchen wirklich mehr Power auf das Thema, wir müssen einfach mehr machen. Nochmal: Die Technologie ist da. Wir müssen sie nur einfach viel sauberer mit sauberem Erwartungsmanagement einführen. Dann, glaube ich, kann das auch was werden. Und auch die Studie wird es natürlich kostenfrei geben, dass jeder das sharen kann, Erfahrungen sammeln kann oder vielleicht auch die eine oder andere Erfahrung nicht machen muss, die andere gemacht haben.

Das würde mich sehr freuen. Wir sind natürlich auch immer sehr offen für Feedback, Kritik, Anregungen, weil das mir das Thema Conversational Bussines am Herzen liegt und weil wir gerade in Deutschland, wie in vielen Bereich der digitalen Transformation, hinterherhinken. Vielleicht können wir gemeinsam das Thema auch erfolgreich voranbringen.

Claudia Hilker: Lieber Peter, deine Leidenschaft für das Thema ist auf jeden Fall deutlich spürbar und dabei wünsche ich dir auch viel Erfolg. Wer noch Interesse hat GPT-3 mal in der Praxis zu erleben: Wir haben bei Kauz einen Horoskopbot auf Basis von GPT-3 und da kann man das einfach mal testen und das ist schon sehr spannend.

Ich würde es auch dem Bereich Entertainment zuordnen, wie du das gesagt hast. Aber die leichten Themen, wie Wetterbericht kann man wirklich mit solchem System abbilden. Auch Sportnachrichten werden heute schon mit ähnlichen Systemen erstellt. Da ist es schon überraschend wie weit die künstliche Intelligenz schon in die Bereiche der Texterstellung eingreift.

Aber bis das wirklich eine gute Qualität in komplexen Bereichen hat, wird es natürlich immer noch dauern. Wir müssen zwischen einfachen und komplexen Anwendungsfällen unterscheiden. Vielleicht wird die künstliche Intelligenz darin noch größer, dass es dann auch noch ein anderes Niveau im Anspruch gibt. Kauz wird natürlich auch an deinem Event teilnehmen, lieber Peter. Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir für dieses Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg für deine Projekte.

Prof. Dr. Peter Gentsch war im März ebenfalls auf der Kauz Chatbot World mit einer Präsentation zu Conversational Business. Den Beitrag finden Sie hier.

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