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Sprache und Automation mit Chatbots in der öffentlichen Verwaltung

Ein Gespräch zwischen Dr. Linda Flöthe, Leiterin KI bei Höhn Consulting GmbH und Sven Wilms, Vertriebsleiter Kauz GmbH

Moderne Kommunikation mit den Bürger:innen

Wilms: Frau Dr. Flöthe, Sie sind seit vielen Jahren in und für die öffentliche Verwaltung tätig. Wie hat sich der Kontakt zwischen der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern verändert?

Flöthe: Zunächst einmal sehen wir, dass sich die Anforderungen seitens der Bürgerinnen und Bürger verändert haben. Digitale Angebote sind nicht mehr wegzudenken und den Anspruch an solch einen Service sehen wir auch in der Verwaltung. Informationen sollen möglichst online verfügbar sein, aber auch der Bedarf, Verwaltungsdienstleistungen online wahrzunehmen, steigt. Dies erlaubt es, niedrigschwellig Kontakt aufzunehmen und erspart mitunter den Gang auf das Amt. Gleichzeitig erlaubt es Bürgerinnen und Bürgern, dann aktiv zu werden, wenn es ihnen passt und nicht innerhalb knapp bemessener Öffnungszeiten.

Wilms: Es gibt ja auch den Wunsch in der Verwaltung, deutlich mehr Bürgernähe und Bürger-Dialog umzusetzen, für verschiedenste Themen. Dies empfinde ich bereits als spürbar. Inwiefern können hier digitale Angebote den Anforderungen gerecht werden?

Flöthe: Zum einen sollte man digitale Angebote stets als Unterstützung der Verwaltung sehen und nicht als Substitut. Nicht jeder möchte auf Online-Angebote zurückgreifen, sondern weiterhin auf ein Amt gehen. Wenn aber ein Teil der Anfragen online abgewickelt werden kann, schafft dies Kapazitäten für diejenigen Fälle, die besonders viel Wert auf den persönlichen Austausch legen. Ein schönes Beispiel ist hier der Chatbot. Oftmals erreichen Verwaltungsmitarbeiter*innen dieselben oder ähnliche Fragen per E-Mail oder Telefon. Das Beantworten der immer gleichen Fragen ist nicht nur eintönig, sondern bindet auch enorme Ressourcen. Ein Chatbot kann darauf trainiert werden, die gängigen FAQs in Dialog-Form wiederzugeben.


Dialogwende in der öffentlichen Verwaltung

Wilms: Das Thema Dialog möchte ich noch etwas weiter diskutieren. Bei wirtschaftlichen Unternehmen habe ich manchmal den Eindruck, dass sie gar nicht mehr den Kontakt zum Kunden suchen, sondern eher auf eine schnelle Abarbeitung der Kundenanliegen aus sind. Ist das in der öffentlichen Verwaltung anders?

Flöthe: Da kann man, glaube ich, gut unterscheiden. Es gibt Aufgabengebiete auch in der öffentlichen Verwaltung, in denen man tatsächlich auf verstärkte Automation setzt. Dies sind zum Beispiel administrative Prozesse hinter diversen Antragsstellungen. Aber dies ist ja nur ein kleiner Teil der Kommunikation, die eine öffentliche Verwaltung mit seinen Bürgerinnen und Bürgern führt. Die Touchpoints mit den Bürgerinnen und Bürgern sind sehr vielfältig geworden, von der Webseite, über das Service-Telefon, zum Teil auch bereits Facebook, Twitter, YouTube und Chatbots.

Die große Schwierigkeit ist: die vielen verschiedenen Bürgerinnen und Bürger sprechen unterschiedlich, drücken sich unterschiedlich aus. Aber alle wollen und müssen wir abholen und integrieren.
Wie schon angedeutet, die digitalen Lösungen gelten als Unterstützung. Sie können dazu beitragen, den Bürgerservice zu verbessern und barrierefreier zu gestalten. Gleichzeitig können Kapazitäten freigemacht werden, um sich auf die Anfragen zu konzentrieren, in denen persönlicher Kontakt gewünscht ist oder wo der Aspekt der Beratung sehr wichtig ist und der oftmals mangels Zeit zu kurz kommt.

Wilms: Auch in der Verwaltung sehe ich den gleichen Trend wie bei Wirtschaftsunternehmen in den letzten Jahren: Nicht mehr die Behörde bestimmt, welche Informationen der Bürger, die Bürgerin zur Verfügung gestellt bekommt, sondern der Bürger fordert diese Informationen ein, zu Bauvorhaben, zur Kostentransparenz, zu politischen Entscheidungen. Ich habe hierzu einmal den Begriff „Dialogwende“ gelesen und finde ihn auch hier sehr passend, gerade im Bürger-Dialog.

Flöthe: Ja, die Digitalisierung macht auch Behörden und die öffentliche Verwaltung transparenter und reißt Grenzen ein, die Anforderungen seitens der Bürgerinnen und Bürger wachsen. Auch Behörden müssen von außen nach innen denken und im Vorfeld antizipieren, welche Fragestellungen könnten meine Bürgerinnen und Bürger haben, um diese Informationen proaktiv zur Verfügung zu stellen.


Bürger:innen durch passende Sprache abholen

Wilms: Damit sind wir wieder beim Thema Sprache, Sprachvielfalt, wie Sie es eben ausdrückten: „die verschiedenen Bürgerinnen und Bürger sprechen unterschiedlich, drücken sich unterschiedlich aus, aber alle wollen und müssen wir abholen und integrieren“…Dann dürfen wir diese Informationen aber auch nicht mehr „trocken“ im Amtsdeutsch zur Verfügung stellen, sondern in einem wirklichen Dialog, der die zumindest grundlegendsten Sprachstile vereint. Dies kann auch schon automatisiert stattfinden, Stichwort: Künstliche Intelligenz.

Flöthe: Ja, Künstliche Intelligenz kann die Automation dieser vielfältigen Bürger-Kommunikation an vielen Stellen bereits sehr gut unterstützen. Prozess-Automation mit KI kann auch mittels sogenannter „Klick- oder Auswahl-Bots“ umgesetzt werden. Für eine komfortable Kommunikation sind reine Klick-Bots allerdings weniger geeignet. Ein großes Bedenken ist in der Tat, inwiefern ein Chatbot lediglich im trockenen Amtsdeutsch antwortet, anstatt wie in einem wirklichen Dialog zu interagieren. Aber auch hier können die Chatbots bereits eine Menge leisten.


Praxistipps für die Implementierung von KI

Wilms: Wir von Kauz wollen mit Hilfe der KI eine automatisierte und trotzdem Kunden-orientierte und hochwertige menschliche Kommunikation etablieren. Unsere linguistisch führenden Chatbots können dies auf jeden Fall, eventuell können dies auch andere Anbieter. Wie sollte eine öffentliche Verwaltung vorgehen, wenn es die Implementierung einer sogenannten Conversational AI Lösung in Betracht zieht.

Flöthe (lacht): Sie sollte uns als Höhn Consulting fragen. Hier gibt es allgemein gesprochen erstmal zwei Ansätze. Ist bereits festgelegt, dass ein Chatbot implementiert werden soll, sprechen wir mit den Interessenten, was die Verwaltung gerne automatisieren möchte bzw. wo sie das persönliche Gespräch sucht. Anschließend werden die Themenfelder festgelegt und geschaut, wie die typischen Dialoge aussehen. Ist der Chatbot als Lösung noch nicht gesetzt, schauen wir generell erstmal: Wo drückt der Schuh? Wo gibt es Engpässe? Anhand einfacher Fragestellungen lassen sich bereits sehr gut die Felder identifizieren, für die es heißen kann: Prozess-Automation und/oder FAQ-Unterstützung durch einen Chatbot: ja oder nein.


Unterstützung durch Chatbots

Wilms: „Unterstützung“ ist für mich das Stichwort. In vielen Erstgesprächen mit Interessenten höre ich immer wieder „Wir wollen erst einmal mit einem FAQ-Bot anfangen“. Einerseits ist das gut, da unsere Chatbots besonders gut für FAQs geeignet sind, andererseits glaube ich, aus dieser Bemerkung herauszuhören „..das ist ja nicht so anspruchsvoll, fangen wir hiermit mal an..“. Das möchte ich, bevor ich auf „Unterstützung“ zurückkomme, kurz erläutern. FAQ-Bots sind, im Gegensatz zur eventuell gängigen Meinung, linguistisch sehr anspruchsvoll, denn man fragt sehr vielfältig nach diesen Informationen, z. B. „Ich möchte mich selbständig machen. Was muss ich dabei beachten?“ oder „Ich möchte in die Selbständigkeit wechseln und eine kleine Firma gründen. Haben Sie Tipps?“ Ganz unterschiedlicher Fragetext, gleicher Intent, gleiche Antwort. Das können nur linguistisch gute Bots beantworten.

Jetzt komme ich aber zur „Unterstützung“ zurück: Ich glaube, dass auch die Unterstützung in wichtigen Anliegen, bei der man ja meinen könnte, dies ist nur etwas für ein persönliches Gespräch oder ein live-Chat, von hochwertigen Chatbots automatisiert werden können. Unsere Chatbots können das sehr gut, denn sie bieten sehr gute Fähigkeiten bei der Produktberatung, auch wenn ich hierbei eventuell etwas von den Szenarien in der öffentlichen Hand abgewichen bin.

Flöthe: Ja, Produktberatung ist weniger passend, da die öffentliche Hand ja sehr neutral sein sollte, aber beim Thema FAQ stimme ich durchaus zu. Dies ist ein sehr wichtiges Thema und Anliegen für Städte und Kommunen. Und bei FAQs springt man häufig von einer Fragestellung zur nächsten, da ist eine gute Intent-Erkennung notwendig. Ich sehe aber auch die Möglichkeit der Kombination von flexibler FAQ/Intent-Erkennung und anschließender Prozess-Automation durch beispielsweise die Integration oder Anbindung an ein Fachverfahren. Dies muss kein Widerspruch sein, sondern lässt sich gut kombinieren, durch geführte Dialoge zum Beispiel. Diese Kommunikationsstruktur aufzusetzen, ist eine klassische Beratungsleistung, die wir als Höhn Consulting inklusive der entsprechenden Chatbot-Umsetzung sehr gerne durchführen.


Wilms: Frau Flöthe, wir haben etliche Aspekte des Themas „Sprache und Automation in der öffentlichen Verwaltung“ angesprochen, wir haben auch viel Übereinstimmungen in unseren Ansichten feststellen können. Es gibt noch viele weitere Aspekte, die wir nicht angesprochen haben und in Folgegesprächen aufgreifen können. Ich bedanke mich für dieses interessante Gespräch, Frau Flöthe. Ihnen, liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer, liebe Leserin und Leser, stehen wir, Frau Dr. Flöthe von Höhn Consulting und ich von der Firma Kauz, sehr gerne für weitere Gespräche zur Verfügung.